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Image by Giammarco Boscaro

Kommentar

Kommt jetzt die Zeit der Whistleblower?

Dr. Axel Sander, Frankfurt

Die unsichere Rechtslage, der sich ein Hinweisgeber in der Vergangenheit ausgesetzt sah, soll durch das Hinweisgeberschutzgesetz beendet werden. Es ist bereits am 2. Juli 2023 in Kraft getreten und nennt verbindlich einzurichtende Meldestellen. An diese können sich Hinweisgeber mit Mitteilungen über Gesetzesverstöße von Betrieben wenden. Die Gefahr, sich mit der Weitergabe solche Informationen nach dem schon 2019 in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen strafbar zu machen oder arbeitsrechtlich belangt zu werden, ist dadurch erheblich geringer geworden. Denn diese seit dem 2. Juli beziehungsweise dem 17. Dezember 2023 von Betrieben einzurichtenden internen als auch die behördlichen externen Meldestellen, müssen alle Angaben vertraulich behandeln, auf Relevanz prüfen und erst danach eventuell notwendige Maßnahmen ergreifen (zu Einzelheiten des Gesetzes siehe: Sander, „Das Hinweisgeberschutzgesetz - Hinweise zur Umsetzung in pharmazeutischen Unternehmen“, PharmInd, Heft 9/2023).

 

Zur Wahrung der Vertraulichkeit sind bestimmte Meldewege einzurichten. Diese müssen gewährleisten, dass nur die zuständige zur Verschwiegenheit verpflichtet Person Zugriff auf Meldungen hat. Das bedeutet, dass nur die als Adressat angegebene Person die Information erhält, zum Beispiel über eine nur für sie zugängliche E-Mail-Adresse. Das ist besonders wichtig bei „internen Meldestellen“, die im Unternehmen eingerichtet werden. Aber auch bei den für bestimmte Betriebe als Dienstleistungen zum Beispiel von Anwaltskanzleien zur Verfügung gestellten „internen Meldestellen“ sollte der Kreis der Empfänger möglichst klein gehalten und bevorzugt auf den damit betrauten Rechtsanwalt beschränkt werden (siehe z. B. Homepage der Kanzlei Sander & Krüger).

 

Sinngemäß muss das auch für die „externe Meldestelle“ gelten, die vom Bund bei einer dem Bundesministerium für Justiz zugeordneten Bundesoberbehörde, dem Bundesamt für Justiz (BfJ), eingerichtet wird. Das BfJ hat bereits auf seiner Homepage eine Anleitung veröffentlicht mit folgendem Wortlaut (Auszug):

 

„Die externe Meldestelle des Bundes hat - unabhängig davon, ob sie für die eingehende Meldung zuständig ist - die Vertraulichkeit der Identität der folgenden Personen zu wahren:

 

1. der hinweisgebenden Person, sofern die gemeldeten Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des HinSchG fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei,

 

2. der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, d. h. alle Personen, die durch eine Meldung belastet werden, und

 

3. der sonstigen in der Meldung genannten Personen. Hierbei geht es um Beteiligte oder auch unbeteiligte Dritte, die beispielsweise Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte oder auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber selbst sein können. Diese Dritten können Verstöße beobachtet haben oder sie können in sonstiger Weise von der Meldung betroffen sein. Da diese Dritten gegebenenfalls im weiteren Verfahren eine wichtige Rolle spielen können, ist ihre Identität ebenfalls weitgehend zu schützen.

Die Identität dieser Personen darf ausschließlich den Personen, die für die Entgegennahme von Meldungen oder für das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständig sind, sowie den sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen bekannt werden. Dieser Schutz umfasst für alle betroffenen Personen die Wahrung der Vertraulichkeit der Identität in jedem Verfahrensstadium gleichermaßen. Er umfasst nicht nur die Identität der betroffenen Personen selbst, sondern auch alle anderen Informationen, aus denen die Identität dieser Personen abgeleitet werden kann.“

 

Weitere externe Meldestellen können von den Bundesländern und sind von dem Bundesamt für Finanzleistungsaufsicht und dem Bundeskartellamt einzurichten.

 

Unter diesen neuen gesetzlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen werden Hinweise über Gesetzesverstöße durch und in Unternehmen voraussichtlich häufiger als bisher erfolgen. Das ist vom Gesetzgeber beabsichtigt, da Missstände in Unternehmen (oft erst nach Jahren eintretende) schwerwiegende Folgen für betroffene Betriebe (siehe Abgasskandal wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, die dafür sorgen sollten, dass die Abgasreinigung lediglich auf dem Prüfstand funktioniert) und die Verbraucher-Öffentlichkeit (siehe Brustimplantate-Skandal wegen minderwertiger Brustimplantate) haben können.

 

Dem deutschen Hinweisgeberschutzgesetz vorausgegangen waren bereits verschiedene internationale und europäische Initiativen, wie zum Beispiel das „Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption“ vom 31. Oktober 2003 und die Richtlinie der EU zum Hinweisgeberschutz (Directive (EU) 2019/1937 - "EU Whistleblower Protection Directive"), die am 16. Dezember 2016 in Kraft getreten ist. Letztere wurde nun in deutsches Recht umgesetzt.

 

 

 

Anschrift der Verfasser:

 

Rechtsanwälte Dr. Axel Sander und Dr. Matthias Runge 

Sander und Krüger Rechtsanwälte PartG mbB

Mainzer Landstraße 55

60329 Frankfurt am Main

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